Die Västbris: Klein aber fein


Die Västbris ist ein stebig gebauter Langkieler, gutmütig und zuverlässig. Sie wird individuell ausgebaut und ausgestattet und zeichnet sich über und unter Wasser durch geschwungene, traditionelle Linien aus. "Stebig gebauter Langkieler" - das lässt an ein 40 oder 50 Fuß großes Schiff für weltumsegelnde Aussteiger denken. Hier haben wir es jedoch mit der Västbris zu tun, einem nur sechs Meter langen Kleinkreuzer. Sie gehört zu einer aussterbenden Gattung, denn die ihr zugrunde liegenden Konstruktions- und Qualitätsmerkmale sind heute nur noch wenig gefragt. Sie passen also nicht ins Marketingkonzept unserer schnellen Zeit.
Moderne 20-Fuß-Boote mit guten Verkaufschancen wiegen um die Hälfte weniger als die Västbris, und sie segeln bei gutem Wind deutlich schneller. Dafür kann man auf ihnen keinen Moment die Pinne loslassen, und sie ziehen den Kürzeren, wenn sie mit einer Tonne kollidieren. Moderne leichte Kleinkreuzer sind oftmals nach 20 Jahren oder 20.000 Seemeilen verschlissen, und ihr Wiederverkaufswert ist entsprechend gering. Ihre Rümpfe sind aus Kunststoff gebaut; auch die Inneneinrichtung besteht in erster Linie aus GFK-Innenschalen. Die Västbris ist das genaue Gegenteil von all dem. Mit ihrer Wasserlinienlänge von nur fünf Metern bringt sie stattliche 1,4 Tonnen auf die Waage.

Von Weitem erinnern ihre Linien entfernt an ein Folkeboot; das gilt besonders, wenn man auf dem Slip ihr Unterwasserschiff betrachtet. Tritt man näher heran, fallen dann der gerundete Aufbau aus Mahagoni, das hölzerne Cockpit und die aus Esche und Mahagoni lamellierte Pinne auf. Harmonisch fügen sich die bronzenen Rahmen der ovalen Bulleyes, das hölzerne Schandeck und die edlen Beschläge in das Gesamtbild ein. Lediglich der hoch über das Heck aufragende Außenborder an seiner Klapphalterung stellt einen argen Stilbruch dar. Vielleicht wird das Boot deshalb auch mit Einbaudiesel angeboten.

Konstruktion und Bauausführung:

Der Rumpf besteht aus zwei Hälften und wird in Negativformen aus handaufgelegtem GFK gebaut. Verarbeitet wird zum größten Teil Matte, die unter Wasser mit drei Lagen Roving verstärkt wird. Ein hochwertiges Isophtalsäureharz von Voss-Chemie dient als Laminierharz. Unter Wasser erreicht das Laminat eine Stärke von zwölf Millimetern; über Wasser ist der Rumpf ein Roving und eine 450er Matte „dünner“ und etwa zehn Millimeter stark - beachtlich für ein 20-Fuß-Boot! Da sie besonders gut entlüften, können die Handwerker Harz und Glas im Verhältnis von zwei zu eins verarbeiten: Das ergibt ein gutes Verhältnis von Gewicht zu Zugfestigkeit.

Zusätzlich erhält der Rumpf ein System von Längs- und Querschotten, das in die Inneneinrichtung integriert ist. Man erkennt diese Versteifungen, wenn man unter die Kojen schaut. Mir haben sie besonders imponiert: Fest und sauber sind sie in die Struktur eingearbeitet. Das nach oben mit den Kojenauflagen verbundene Sperrholz ist lackiert, die GFKOberfläche dazwischen, auch an schlecht zugänglichen Stellen, ist mit Topcoat abgedeckt. Nirgendwo gibt es Innenschalen; alle Außenhautbereiche sind von innen zu erreichen. Deck und Aufbaudeck bestehen aus weiß lackiertem Sperrholz, das über lamellierte Decksbalken gelegt ist. Aufbauseiten und Cockpit werden aus hochwertig lackiertem Mahagoni- Bootsbausperrholz gebaut. Der Prototyp ist für Binnenreviere zugelassen: Das entspricht der Auslegungskategorie D der europäischen Sportbootrichtlinie (CE-Norm). Alle weiteren Schiffe sind für die Auslegungskategorie C zertifiziert und dürfen küstennahe Gewässer befahren.

Da für das Boot keine Stabilitätsunterlagen vorhanden waren, mussten die Stabilität und der Flutungswinkel für die Zertifizierung in einem Praxistest ermittelt werden. Die in diesem Test ermittelte Stabilität ist überdurchschnittlich groß; so besitzt das Schiff noch einen aufrichtenden Hebelarm von 0,5 Metern, wenn es schon um knapp 70 Grad gekrängt ist. Bis zu einer Krängung von etwa 140 Grad hat das Boot noch eine positive statische Stabilität; es wird sich also noch selbsttätig aufrichten, sofern es nicht von Wellen weiter gekrängt wird. Diese große Stabilität ist unter anderem ein Resultat aus einem großen Tiefgang und fast 50 Prozent Ballastanteil. Für dieses Mehr an Sicherheit zahlt man mit der großen Verdrängung des Bootes.

Unter Deck:

Das kleine Schiff ist insgesamt in guter Qualität ausgezimmert. Hier fallen besonders die in Esche und Mahagoni lamellierten Decksbalken und die aus lackiertem Holz gefertigte Wegerung auf. Gerade Flächen sind in Eschensperrholz gearbeitet und geschmackvoll mit Mahagonileisten eingefasst. Aufteilung und Gestaltung kann, da keine Innenschalen benutzt werden, der Kunde nach eigenen Vorstellungen bestimmen. Auf dem Testboot gibt es zwei „Sofakojen“, die zur Hälfte als Hundekoje unter die Duchten reichen. Sie sind in Schulterhöhe 60 Zentimeter breit; das reicht zum Schlafen aus. Vier Personen können unter Deck bequem sitzen. Bei Bedarf kann ein Tisch in die Halterung gesteckt werden, die auf den nächsten Schiffen nicht mehr aus Alu bestehen wird. Wird er nicht gebraucht, kann der Tisch in der Hundekoje verstaut werden.

Vor den Kojen befinden sich zwei halbhohe Schränke, die auf Wunsch als Pantry ausgerüstet werden können. Man kann dann im Sitzen auf der Sofakoje kochen. Wie man sich denken kann, bietet das Boot keine Stehhöhe, doch auf der Koje sitzend hat man genug Kopffreiheit. In den Hundekojen und unter den „Sofas“ gibt es nutzbaren Stauraum. Angst vor durch Nässe verdorbene Ausrüstung braucht man nicht zu haben: Das Bilgenwasser fließt – bedingt durch den ausgeprägten S-Spant – in steilem Winkel in den tiefen Sumpf unter den leicht aufnehmbaren Bodenbrettern ab. Im Vorschiff befindet sich eine Doppelkoje. Durch die geringe Höhe zwischen Kojenauflage und Decke ist es dort zwar etwas eng, doch liegt man erst einmal, fühlt man sich recht behaglich. Der Blick auf den Holzausbau und die sauber gearbeitete Decke vermitteln das Gefühl, auf einem Schiff zu sein, das mit Freude und Sinn fürs Detail gebaut wurde.

Der Motor:

Die Werft empfiehlt je nach Fahrtgebiet Motoren mit 2,9 bis 4,4 Kilowatt Leistung (entsprechend zwei bis vier PS). Schwerer als 20 Kilogramm sollte der Motor nach Werftauffassung nicht sein. Bei kurzer Welle in einer Wind-gegen-Strom-Situation an der Nordsee ist eine Kraftreserve nur von Vorteil. Langkieler tun sich ja schwer, bei geringer Fahrt über den Achtersteven dem Ruder zu gehorchen: nicht so die Västbris. Langsam, doch willig folgt sie auch bei einem Knoten Rückwärtsfahrt dem Ruder.

Die elegante Lösung ist ein kleiner Diesel unter dem Plichtboden, der allerdings mit einem Aufpreis zu Buche schlägt. Auf der Baunummer 2 wurde ein Einzylinder-Yanmar mit 6,6 Kilowatt (9PS) Leistung eingebaut. Dieser Motor ist vom Plichtboden aus durch eine Klappe zu erreichen und so für die Wartung gut zugänglich. Auch in rauherem Wetter an der Küste dürfte er noch genügend Kraftreserven bieten und mit einem gut abgestimmten Faltpropeller die Rumpfgeschwindigkeit von 5,5 Knoten erreichen. Interessant ist das Verhalten des Schiffes in kurzen Wellen, die von vorbeifahrenden Motorschiffen aufgeworfen werden: Der ausladende runde Bug hebt sich leicht über die Welle hinweg, ohne dass das Schiff Neigung zum Feststampfen gezeigt hätte. Spritzwasser gelangte nicht an Deck.

Test unter Segeln:

Die Västbris ist mit einem 7/8-Rigg getakelt. Es kann über eine gut dimensionierte Achterstagstalje getrimmt werden und ist auch im Detail gut gearbeitet. Die Segel werden über nach achtern geführte Fallen gesetzt und in Curryklemmen auf der Achterkante der Kajüte festgesetzt. Nur unter Groß segelt das Schiff recht passabel, es läuft gute Höhe und Geschwindigkeit und manövriert gut, der Ruderdruck bleibt auch bei Krängung gering. Nachdem die Fock gesetzt ist, wird das Schiff nicht viel lebendiger. Drei bis vier Windstärken wehen über das geschützte Gewässer; eher langsam legt sich das Schiff auf die Seite und marschiert mit einem Schrick in den Schoten vier bis 4,5 Knoten schnell davon. Hoch am Wind läuft es ungefähr einen Knoten langsamer, und mit halbem Wind erreicht es etwa fünf Knoten.

Hoch am Wind erweist sich die Västbris gleich langen Schiffen überlegen, raumschots ist sie jedoch langsamer. Doch das ist nicht das Charakteristische an den Segeleigenschaften. Auffällig ist, dass die Västbris das Gefühl gibt, ein deutlich größeres Schiff zu führen. Sie springt in einer Böe nicht unmittelbar an, behält in der Wende aber lange ihre Fahrt. Sie legt sich in stärkeren Windstößen zwar auf die Seite, doch eher behäbig, und sie wird mit zunehmender Krängung merklich steifer. Von zehn Grad Lage an macht sich leichter Ruderdruck bemerkbar. Da kein Traveller vorhanden ist, kann man die Luvgierigkeit nur durch Öffnen der Schot etwas kompensieren. Trotz des Langkiels können wir zügig wenden und absolvieren den Vollkreis mit belegten Schoten innerhalb einer Schiffslänge und 18 Sekunden. Die Segel stehen zum Tourensegeln recht gut und sind aus leicht handzuhabendem Tuch geschneidert.

In dem sehr schön ausgebauten und hochwertig lackierten Cockpit sitzt man recht bequem. Weil die Cockpitsülle geneigt sind, drücken sie nicht ins Kreuz, und bei Lage kann man sich gut an der Leeducht abstützen. Auch auf dem Seitendeck kann man angenehm sitzen, auch wenn man die Sülle deutlich an den Oberschenkeln spürt. Im Hafen kann man sich auf den 1,78 Meter langen Duchten lang ausstrecken.

Stauraum befindet sich im achteren Teil; er reicht für Leinen, Fender und seemännische Ausrüstung. Zusatzsegel oder eine Persenning kann man gut in den Hundekojen verstauen.

Fazit: Wer ein stebiges und noch trailerbares Kajütboot mit Holzcharakter sucht,ist mit der Västbris gut bedient. Sie kostet etwa so viel wie ein gleich schweres GFK-Boot; das ist dann aber ummehr als 20 Prozent länger. Gemessen an dem großen Aufwand, den die Werft für eine solide und ansprechende Bauausführung betreibt, ist der Preis durchaus angemessen.

PALSTEK 5.2002:Zitiert von Ralf G. Weise • Grafik: Jochen Peschke


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Seit dem Jahr 2000 wird in der Bootswerft Funger die Västbris gebaut, die kleine segelnde Persönlichkeit. Für Segler, die gute Arbeit schätzen und solide Yachten segeln wollen.

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